Nach einer vergleichsweise warmen Nacht und einem nährhaften Frühstück ist die Laune wieder besser. Wir bauen bald schon das Zelt ab, und haben dabei wieder vollsten Sonnenschein. Die Mücken sind wieder zahllos vorhanden und plagen uns, aber als wir losgehen sind die schnell wieder vorbei.
Weil ich die Entfernungen ein bisschen falsch einschätze gehen wir mit leeren
Flaschen los, und füllen sie nicht noch beim rund 250 Meter entfernten Fluss
auf. Wir verlassen tatsächlich bald den Wald, und kommen in eine schöne
Heidelandschaft. Erst nachdem wir den Wald, und damit viele der Mücken hinter
uns lassen, legen wir noch eine schnelle Pause ein um uns gegen die intensive
Sonne zu schützen. Wir gehen stetig, aber langsam bergauf, und nach für uns
langen und durstigen 3 Kilometern kommen wir zu einem Wegweiser.

Hier wurde eine Brücke über den Gáppejåhkå errichtet, aber die Wegmarkierungen
für den alten Weg sind noch immer da und führen zu einer Stelle an der der
Fluss gefurtet werden muss. Die Schwedin, die wir gestern an der
Kaitumjaurestuga getroffen haben, hat uns schon davor gewarnt und so folgen wir
dem Schild, das uns zur Brücke führt. Hier bekommen wir endlich wieder
Trinkwasser, und wir trinken beide jeweils direkt einen halben Liter, der bei
uns Brain Freeze verursacht. Mit aufgefüllten Wasserflaschen gehen wir zurück
zum alten Weg und folgen dem Kungsleden weiter.

Wenn die Sonne so herunterbrennt, ist Wandern gleich viel anstrengender, und
gerade bei Anstiegen fällt uns das auf. Egal wie das Wetter ist, wir meckern.
Die Landschaft ist aber unabhängig vom Wetter faszinierend. Wieder sehen wir
die Sarekgipfel in der inzwischen schon ein wenig näher gerückten Ferne, und
schauen diesmal genauer hin. Wir sehen den Áhkká, und den Sarektjåhkå, der der
zweitgrößte Berg Schwedens ist. Einige Nebengipfel des Sarektjåhkå und der
Niják sind auch zu sehen. Insgesamt ist dieses ferne Gebirge ein hochimposanter
Anblick.

Nachdem der Anstieg auf die rund 900 Meter geschafft ist, gehen wir relativ
eben über die Kuppe. Nach einiger Zeit haben wir hunger, und suchen uns einen
Platz. Weil wir gerade an großen, herumliegenden Felsen vorbeigehen, suchen wir
uns einen mit mehr oder weniger ebener Oberfläche, und machen uns dort noch
einmal die kulturlose Entdeckung von
vorgestern: Maccaroni mit Tubenkäse.
Hier versuchen wir uns noch einmal an einem gemeinsamen Foto, und es kommt tatsächlich was schönes raus.


Als wir weitergehen kommen wir nach rund 2 Kilometern zu einem mittelgroßen
Bergsee, den ich ursprünglich als Ort für das Mittagessen ins Auge gefasst
hatte, der sich dann aber als zu weit entfernt herausgestellt hat vorbei. Weil
es so heute so warm ist, und wir noch keine gute Gelegenheit dazu hatten,
beschließen wir baden zu gehen. Als wir uns dem Seeufer nähern, schwimmt eine
Entenmama mit 6 oder 7 Küken im Schlepptau von uns davon, und wir gehen ins
Wasser. Wegen der Kälte des Wassers gehe ich aber nicht mit dem ganzen Körper
rein, das schafft nur Leon, der tatsächlich mehrere Minuten im See
umherschwimmt, und dabei die Aussicht auf die majestätischen Sarekgipfel
genießt. Entspannt trocknen wir uns ab, und ziehen uns an. Nach dem See beginnt
langsam, aber kontinuierlich steiler werdend der Abstieg nach Vakkotavare. Auf
einmal kommen uns überraschend viele Wanderer*innen entgegen, und Leon
schließt, dass wohl vor entsprechend langer beziehungsweise kurzer Zeit ein Bus
in Vakkotavare angekommen ist.

Irgendwann stoßen wir zu einem Fluss, den wir bis zu seiner Mündung in den
Akkajaure begleiten. Nicht ganz so spektakulär wie der gestrige Wasserfall ist
dieser Fluss trotzdem ein schöner Anblick. In die andere Richtung sehen wir
sehr schön und in seiner gewaltigen Größe den Akkajaure. Als wir uns umsehen,
merken wir dass nur im fernen Süden ein paar kleine Wölkchen sind, und der
Himmel sonst in klarstem Blau erscheint. Wir sehen auch bald ein Windrad, das
für uns das erste wirkliche Anzeichen für Zivilisation ist. Als dann noch
Strommasten und ein Parkplatz ins Sichtfeld rücken, sind wir fast schon
irritiert. Dieses Mal geht mir der Abstief zum Glück nicht so sehr ins Knie,
und wir sind auch nicht so erschöpft wie gestern. Trotzdem mache ich irgendwann
einen ungeschickten Schritt und stürze volles Karacho in eine Schlammlacke. Ich
habe mich Gott sei Dank nicht verletzt, und es sind auch nur mein linker Arm
und mein linkes Hosenbein, sowie der Schuh nass und super dreckig geworden.
Meine Haare, mein Rucksack, seine Inhalte und die außen aufgeschnallten
teilweise wassempfindlichen Sachen (die Kamera!) sind glücklicherweise
verschont geblieben. Nicht einmal meine Socken sind nass geworden, weil meine
Schuhe wasserdicht sind und mein über den Schuh hängendes Hosenbein offenbar
das Wasser gut genug abgehalten hat. So spüle ich mich noch schnell mit Wasser
ab und wir können völlig unaufgeregt weitergehen.


Sowohl unser Buch über den Kungsleden, als auch das Hörensagen am Trail selbst haben uns Hoffnung bereitet, dass wir bei, oder schon am Abstieg nach Vakkotavare Empfang haben, und so wieder Kontakt zu unseren Liebsten aufnehmen können. Eigentlich hatten wir geplant sobald wir Empfang haben einen Zeltplatz zu suchen, doch als wir schon fast unten, aber immer noch empfangslos sind, nehmen wir einfach eine Stelle die sich sehr anbietet, insbesondere weil es hier am “Hang” wirklich nur wenige gute Plätze gibt. Ohne schweres Gepäck gehen wir die letzten 5 Minuten zum See. Hier gehen wir seit einer gefühlten Ewigkeit (Tag 0) wieder einmal auf Asphalt. Am See bekommen wir tatsächlich für einen Moment Internet, was ausreicht, um alle Nachrichten die seit Tag 1 an uns verschickt wurden zu empfangen, aber leider nicht um Antworten und ein Lebenszeichen zu versenden. Auch unser Plan nach meinem Sturz eine Schock-olade zu kaufen, geht schief, weil es in Vakkotavare keinen Laden gibt. Aber davon recht unbeirrt freuen wir uns trotzdem diesen Abschnitt des Kungsleden geschafft zu haben, und erwarten es kaum, morgen mit dem Bus nach Kebnats, und dann mit dem Boot nach Saltoluokta zu fahren, von wo aus der Kungsleden weiterführt. Dort haben wir dann hoffentlich wirklich Empfang.
Wir gehen also mehr oder weniger unverrichteter Dinge zurück zum Zeltplatz, und essen noch ein paar Linsen und die Reste der Erdnussbutter in der Hoffnung in Saltoluokta ein besonders großes Sortiment im Laden anzutreffen und uns mit allerlei lang ersehntem ausstatten zu können. Hier am Zeltplatz finden wir noch zwei, von anderen Camper*innen hinterlassene Bodennägel für Zelte, die wir kurzerhand mitnehmen. Damit können wir die ersetzen, die uns leider im Gebrauch ein wenig verbogen sind.
Dieser Artikel ist Teil der Reihe Kungsleden 2022.
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