Heute Nacht war es nochmal kälter als vergangene Nacht. Uns war kalt, und nach dem Thermometer meiner Uhr hatte es zu Tiefstzeiten 3° Celsius im Zelt, das wahrscheinlich ein paar Grad Unterschied zu der Außenluft hatte. Es war also wirklich arschkalt. Aber als der Morgen anbricht wärmt es sehr schnell auf, und als wir aufstehen scheint die Sonne schon richtig aufs Zelt. Wir kommen heute sehr schnell aus den Federn (auch wenn wir beide nicht in Daunen- sondern in Kunstfaserschlafsäcken schlafen), und starten unsere Morgenroutine. Der Plan des Wäsche-über-Nacht-trocknen-lassen hat wegen der Kälte nicht so gut funktionert wie gedacht, aber im Sonnenschein werden die Sachen schnell trockener. Wir frühstücken Müsli und bauen das Zelt ab. Dank der Sonne konnte ich auch noch die restlichen Geräte von uns mit dem Solarpanel aufladen.
Als wir losgehen ist der Weg sehr angenehm zu gehen, und wir legen einiges an
Distanz zurück. Die Sonne scheint volles Rohr, und wir tragen so wenig wie seit
langem nicht mehr. Ich trage ein langärmeliges, Leon ein kurzes T-Shirt. Wir
überqueren mit einer Hängebrücke den Tjäktjajåkka, den wir die letzten 30
Kilometer begleitet hatten. Weil wir so viel abgestiegen sind seit dem
Tjäktjapass kommen wir hier erstmals seit Tag
2 wieder unter die Baumgrenze und gehen
wieder durch Birkenwald. Durch diesen Wald begleiten wir also immer weiter den
Tjäktjajåkka bis wir den Kaitumjaure, einen wirklich sehr großen See sehen, in
den der Tjäktjajåkka mündet. Der Kaitumjaure ist nicht sehr breit, aber dafür
viele Kilometer lang. Wir sehen ihn aber nur kurz an diesem Ende. Den See
entlang haben wir einen wirklich schönen Blick ins Tal, bis wir weiter
absteigen und zur Kaitumjaurestuga stoßen.

Wir sind wirklich schnell gewesen und es ist gerade erst 12 als wir bei der
Hütte ankommen. Trotzdem wollen wir schon hier an einem der Picknicktische
essen. Dafür setzen wir uns zu einer jungen Schwedin, die gerade ihre Sachen
packt, um loszugehen. Wir kommen ins Gespräch, und sie erzählt, dass sie den
Kungsleden von Vakkotavare aus nach Abisko, also in die andere Richtung als wir
geht. Wir geben einander Tipps für den kommenden Weg und reden noch ein
bisschen über das endlich schöne Wetter bevor sie tatsächlich losgeht. Als wir
gerade unseren Kocher aufbauen kommt ein deutsches (Ehe-)Paar vorbei, dass sich
streitet wo denn hier das Klo ist. Das amüsiert uns ein wenig (insbesondere
weil das Klo wirklich nicht schwer zu finden ist), aber wir sind eher froh als
die Beiden wieder von dannen ziehen. Als wir unser Ramen fertig gegessen haben
kommt auch die Wandererin von der ich gestern geschrieben habe und legt eine
Pause bei uns am Tisch. Dadurch kommen wir endlich mal gescheit ins Gespräch.
Bis dato haben wir nie gerastet als wir uns getroffen haben. Bald stellt sich
heraus, dass sie aus Hamburg kommt, und wir es uns mit unserem Englisch seit
Tag 3 unnötig kompliziert gemacht haben. Sie
hat sich offenbar schon an ihrem 2. Reisetag schwer erkältet, und wird ihren
ursprünglichen Plan den ganzen Kungsleden von Abisko bis Hemavan zu gehen nicht
durchziehen. Stattdessen wird sie in Vakkotavare, das sie hofft morgen zu
erreichen, die Heimreise antreten. Wir haben inzwischen wieder unsere Sachen
zusammengepackt und gehen weiter, während sie noch länger Pause macht.
Ursprünglich hatten wir vor hier auch unseren Proviant aufzustocken, aber hier
wird nur Bargeld akzeptiert, weshalb wir unsere Besorgungen bis Teusajaure
aufschieben.

Hier lassen wir also den Kaitumjaure hinter uns, und gehen kurz den mächtig
tosenden und schäumenden Kaitumjåkka flussaufwärts, bis wir ihn über eine
Hängebrücke überqueren, und uns dann von ihm entfernen. Langsam beginnt der
Anstieg auf das Muorkifjällplateau. Schon bald sind wir wieder über der
Baumgrenze und lassen den Birkenwald hinter uns. Ständig sehen wir eine Kuppe,
von der wir denken, dass wir mit erreichen ebendieser oben angekommen sind und
mit einem tollen Rundumblick belohnt werden, aber jedes Mal taucht eine neue
Kuppe auf. Irgendwann sind wir dann aber doch bei der Hochebene angekommen und
das Panorama ist wirklich beachtlich. Alle paar Minuten schauen wir uns erneut
um, und die Perspektive auf die nahen und die fernen, gletscherbedeckten Berge
hat sich jedes mal ein wenig geändert. Als wir das Plateau überqueren tauchen
auf einmal ein paar schneebedeckte sehr hoch wirkende Gipfel am Horizont auf.
Kurze Recherche ergibt, dass das tatsächlich die rund 40 Kilometer entfernten,
nördlichsten Gipfel des Sarek Nationalparks sind. In diesen Park wollen wir in
einigen Tagen auch hineinschauen. Allerdings wird unser Eintrittspunkt deutlich
weiter im Süden liegen.

Als die Hochebene an ihr Ende kommt, beginnt unser Abstieg in das Teusadal, das
besonders schön sein soll. Dabei kommen wir wieder unter die Baumgrenze und es
tauchen die ersten Birken auf. Als sich zusätzlich der Blick auf den See
eröffnet, der sich toll im Sonnenlicht spiegelt, fühlen wir uns fast wie auf
einer Wanderung in Südeuropa. Zusätzlich kommen wir beim Abstieg an einem sehr
Eindrucksvollen und großen Wasserfall vorbei. Hier haben wir auch erstmals
nicht sofort gewusst, wo der Weg weitergeht. Nach kurzem Umsehen wussten wir
wieder wo lang, aber das ist uns bisher nicht passiert. Der Kungsleden ist echt
astrein ausgeschildert und markiert. Der Abstieg ist für mich leider eine
ziemliche Qual. Mein Knie ächzt, es ist auch so extrem anstrengend, und die
nassen Wegstücke erfordern zusätzliche Konzentration um nicht sensationell auf
die Nase zu fliegen. Und ständig findet sich irgendein Bach, der meint sich
seinen Weg genau am Kungsleden bahnen zu müssen, wodurch recht viel
rutschiger Untergrund zu überwinden ist.

Nach einer anstrengenden Zeit ist aber auch dieser Abstieg geschafft, und wir
kommen bei den Teusajaurestugorna an. Hier können wir uns tatsächlich die
erhofften Lebensmittel und eine Packung Kekse, die wir unverzüglich
verschlingen besorgen. Hier führt der Kungsleden über den Teusajaure weiter.
Dazu stehen Ruderboote zur Verfügung mit denen man das etwa 1000 Meter breite
Gewässer aus eigener Muskelkraft hinter sich bringen kann. Für erschöpftere
Wanderer*innen, wie wir sie sind gibt es auch die Möglichkeit sich mit einem
Motorboot zu dem anderen Ufer chauffieren zu lassen. Wir sind um kurz nach 16
Uhr angekommen, und um 17 und 18 Uhr fährt das Motorboot ein mal hin und her.
Wir wollen um 17 Uhr fahren, doch verpassen das Boot, weil wir an der falschen
Stelle gewartet haben, und müssen so noch eine Stunde länger warten bis es
weitergeht. Dafür können wir den anderen Kungsledengeher*innen zuschauen, wie
sie die 3 Ruderboot so managen, dass alle auf die andere Seite kommen, aber
gleichzeitig an beiden Ufern mindestens 1 Boot für spätere Wanderer*innen
bleibt.

Nachdem wir die Stunde abgewartet haben, können wir endlich ins Motorboot
steigen, und werden von einem sehr charmanten Mann ans andere Ufer gelenkt.
Dabei haben wir in alle Richtungen tolle Aussichten. Insbesondere den
Wasserfall von vorher sieht man vom Boot aus in seiner vollen Pracht.

Am anderen Ufer angelangt sind wir sofort wieder im Wald und gehen noch ein wenig weiter. Unser Kungsledenführer hat uns ein baldiges Ende des Waldes und einen Wechsel zu einer Heide versprochen, doch der der will nicht und nicht eintreten, und wir stellen noch im Wald unser Zelt auf. Ich gehe noch zum etwa 250 Meter entfernten Fluss Wasser holen, und wir bringen unsere Abendroutine hinter uns.
Es hat tatsächlich heute den ganzen Tag die Sonne geschienen, und es war richtig warm. Endlich sind die Sonnencreme, die Kappen und so weiter kein dead weight mehr. So einen Tag haben wir echt schon lange ersehnt, und morgen soll das Wetter noch einmal genau so werden.
Leider ist heute Abend ein ziemliches Stimmungstief für uns. Heute haben wir uns wirklich überanstrengt, und die Mücken umkreisen und zerstechen uns zu Tausenden. Als ich im Zelt liege und diesen Blogeintrag schreibe lösche ich durch einen ärgerlichen Bug 1150 geschriebene Worte, was meine Stimmung endgültig in den Keller treibt.
Dieser Artikel ist Teil der Reihe Kungsleden 2022.
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