Es ist kalt. Und nass.
Als wir am Morgen aufwachen, regnet es immer noch. Die ganze Nacht hat es duchgeregnet, und es ist ziemlich kalt. Zum Glück findet Leon die Motivation rauszugehen, und einen Porridge für uns zuzubereiten, während ich im Zelt meine Sachen zusammenpacke. Blöderweise müssen wir heute das Zelt wieder nicht ganz trocken einpacken, und in der Kälte macht das wirklich wenig Spaß. Ich habe zwei Schichten Handschuhe getragen, aber das hat meine Fingerfertigkeit ziemlich eingeschränkt. Noch dazu ist Leon beim Frühstück einer unserer Göffel zerbrochen, wodurch wir nicht mehr genug Bestrck haben.
Wir freuen uns endlich loszugehen, damit uns warm wird, und machen uns auf das
letzte Stück vom Anstieg auf den Tjäktjapass. Durch Regen und Wind bringt uns
die Bewegung nur langsam Wärme, und wir machen nur kurz Halt am Pass. Hier ist
der höchste Punkt des ersten Abschnittes des Kungsleden von Abisko bis
Vakkotavare, und ab hier geht es für die nächsten Tage hauptsächlich bergab.
Links von uns ist der Tjäktjajåkka, auf dessen anderer Seite die Nallohütte
ist, die wir bei unserer Alternative passiert hätten. Nach dem Pass gehen wir
in ein Tal hinab, das uns die nächsten Tage begleiten wird. Der Kungsleden
führt rund 30km durch dieses Tal. Von oben haben wir eine tolle Vorschau auf die nächsten Kilometer, auch
wenn diese vom Nebel getrübt ist.

Nach einem steilen Abstieg, der unangenehmerweise wieder mein Knie zum
Schmerzen gebracht hat, gelangen wir bald zum einem breiten Fluss den wir
leider wieder mit unserem Alternativschuhwerk furten müssen, was bei der
Wetterlage keine Vorfreude in uns weckt. Wir kämpfen uns trotzdem an die andere
Seite, und kommen mit vor Kälte schmerzenden Füßen an. Wir ziehen schnellstens
wieder die Wanderschuhe an, und merken schon wie die Wärme zurück kommt.
Insgesamt war das wohl ein besseres Erlebnis als die bisherigen Furten, weil
sich bei der Witterung keine Mücke aus ihrem Versteck wagt.

Der weitere Weg durch das Tal ist wegen der Nässe wirklich nicht sehr angenehm zu gehen. Oder wie in unserem Kungsledenführer steht:
Bei nasser Witterung wird das Vorankommen allerdings durch den matschigen, von rutschigen Steinen durchsetzten Weg erschwert.
Das beschreibt unsere Erfahrung leider sehr genau. Jeder Schritt muss bedacht gesetzt werden, um nicht knöcheltief im Schlamm zu versinken. Wir wollen möglichst schnell aus diesem Sumpf heraus, und gehen mit hohem Tempo weiter. Trotz der widrigen Umstände bereitet das Gehen viel Freude. Wir kommen gut voran und die Blicke in die Täler, die hier enden sind wirklich bezaubernd. Wir haben wieder einmal das Gefühl durch Mittelerde zu wandern. Als wir gerade eine Familie die wir in den vergangenen Tagen schon mehrmals am Kungsleden gesehen haben überholen, machen sie uns auf die Rentiere auf der anderen Seite des Flusses aufmerksam. Endlich sehen wir Rentiere auch von einer Nähe, bei der man sie gut beobachten kann. Beim Alesjaure konnte man kaum mehr als den Umriss wahrnehmen.
Weil alles um uns herum nass ist, und wir nicht rechtzeitig aus der sumpfigen
Gegend heraus gekommen sind, verkriechen wir uns zum Mittagessen hinter einen
kleineren Felsen, und essen auch nur Knäckebrot mit Tubenkäse und Tomatenmark
um den Kocher nicht anwefen zu müssen, und dann noch länger Zeit hier im kalten
Regen verbringen zu müssen. Dadurch kommen wir auch recht bald wieder los, und
überholen bald wieder die Familie von vorhin. Nach einiger Zeit taucht auf
einmal die Sälkahütte vor uns auf, und wir holen uns im Laden noch einen
Tubenkäse, einen kleinen Snack um ihn gleich zu essen (Kex), und können sogar
einen neuen Göffel besorgen. Die Hüttenwärtin war wieder sehr nett, und hat
allen die eine Nacht bleiben erst mal warmen Saft amgeboten, was wirklich
reizend ist. Hier können wir auch noch einmal den aktuellen Wetterbericht
anschauen und stellen mit größter Freude fest, dass es morgen keinen Tropfen
regnen soll. Allerdings soll es in der Nacht bis auf 1° Celsius abkühlen, was
die kälteste Nacht bisher wäre.

Die Sälkahütte ist auch der Punkt, an dem die Route durch das
Nallotal wieder auf den Kungsleden trifft, und
von den Häusern aus sieht man schön in das Tal aus dem wir gekommen wären
hinein.


Wir fühlen uns noch recht energiegeladen, und gehen deshalb schon bald von der Hütte weiter. Kurz hinter einer Hängebrücke verändert sich die Landschaft auf einmal deutlich, und es gibt wieder trockenere Fleckchen Boden! Glücklich darüber dass wir heute doch noch einen guten Zeltplatz finden, gehen wir weiter und bald quert eine kleine Herde Rentiere 15 Meter vor uns den Kungsleden. Leider habe ich die Kamera wegen des Wetters wieder im Rucksack, aber Leon hat Handyfotos gemacht. Wir sind beeindruckt von der Körperhaltung der Rentiere beim Laufen. Sie heben den Kopf so sehr, dass das Kinn eigentlich parallel zum Boden steht. Dadurch entsteht der Eindruck, dass sie nach oben schauen, während sie laufen. Hochnäsige Tiere also ;)
Wir gehen noch ein wenig weiter und bauen dann, nachdem wir zwei seiner Arme mit einer Hängebrücke überquert haben, direkt neben einem Bach beim Gaskkajohka unser Zelt auf. Der Boden ist zwar ein wenig nass, aber das ist nach diesem Regen wohl überall so. Wir freuen uns auch mal wieder direkt am Wasser zu campen, das hatten wir zuletzt an Tag 1. Es ist jetzt schon sehr kalt und wir ziehen uns deshalb sehr bald nach dem Abendessen (Bohnen mit Linsen, Tomatenmark und Knäckebrot) ins Zelt zurück. Wir fürchten uns ein wenig vor der kalten Nacht, freuen uns aber auf einen trockenen morgigen Tag.
Dieser Artikel ist Teil der Reihe Kungsleden 2022.
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