Heute wache ich um kurz vor 6 schon auf und merke, dass die Sonne scheint. Als
dann noch in der Nähe unseres Zeltes Raben Radau machen, merke ich, dass ich
nicht mehr schlafen werde, und stehe schon auf. Ich stelle das Solarpanel auf,
mache ein paar Fotos von der Umgebung, die man jetzt endlich sieht, und beginne
Heidelbeeren zu sammeln. Etwa eine halbe Stunde lang sammle ich also
Heidelbeeren in der Nahe vom Zelt, und dann gehe ich noch Wasser holen. Dann
ist es schon etwa 7, die Uhrzeit zu der wir gestern ausgemacht haben einen
Wecker zu stellen (es war für den Vormittag besonders gutes Wetter angekündigt,
und wir wollen deshalb schnell aif den Skierffe) und ich wecke Leon auf. Um
halb 7 hat es begonnen nebliger zu werden, und jetzt sehen wir kaum mehr bis
zum See. Wir essen jetzt erstmals und endlich Porridge mit Heidelbeeren.
Davon habe ich seit Tagen geträumt, aber wir hatten bis dato einfach nie
gleichzeitig Heidelbeeren in der unmittelbaren Umgebung unseres Zelts und
keinen Regen am Morgen.

Nach dem Frühstück packen wir meinen Rucksack mit Regensachen, Kamera,
Solarpanel, Powerbank, Nudeln und dem Spirituskocher und machen uns auf den Weg
zum Skierffe. Inzwischen ist im Tal kein Nebel mehr, und wir haben die
Hoffnung, dass es am Berg auch noch aufzieht. Wir gehen den Weg jetzt schon das
dritte Mal und kennen ihn schon ganz gut. Es ist trotzdem sehr anders für uns,
weil wir heute viel viel mehr sehen. Wir sehen, wo wir hingehen, wir sehen die
Markierungen für den Pfad auch wenn sie weiter als 10 Meter weg sind, und wir
sehen die Landschaft. Der Blick zurück in den Osten offenbart eine
Hügellandschaft, der in den Westen einen Einblick in das Sarekgebirge. Wir
kommen trockenen Fußes bis zu dem riesigen Felsen, und gehen weiter hinauf.
Mein Knie ist leider noch von gestern beleidigt, und klagt ein wenig. Wir sind
sehr flott unterwegs, weil wir nur einen vergleichsweise leichten Rucksack
dabei haben, und kommen bald zum Gipfel. Wir hatten fast den ganzen Aufstieg
lang Sonnenschein und wir bereuen, dass wie keine Sonnencreme und Leons Kappe
nicht mitgenommen haben. Das Wetter übertrifft unsere Erwartungen.

Und das macht auch der Ausblick, der uns heute am Gipfel erwartet. Das Delta
ist in seiner bildschönen Gesamtheit zu sehen und die Höhendifferenz ist
wirklich furchteinflößend. Mit seinen 1183 Metern ist der Skierffe knapp höher
als der Tjäktjapass auf 1140 Metern. Der Pass war bis jetzt der höchste Punkt
unserer Tour und wird nun vom Skierffe übertrumpft. Das Rapadalen liegt aber
knapp unter 500 Metern und so haben wir eine Differenz von rund 700 Metern. Wir
trauen uns kaum einen Meter an den Rand hinan, aber auch so ist der Blick
fantastisch. An den Armen des Flusses sind gewissermaßen Alleen - links uns
rechts sind eine dünne Spur Bäume bevor die Vegetation flacher und
gleichmäßiger wird. Das Wasser des Flusses nimmt im Flussverlauf verschiedene
Farben an, und auch der Laitaure den man im Westen sieht bekommt durch die
Schatten der Wolken vielfältige Schattierungen. Das Delta mit den Seen ist echt
etwas einzigartiges, und wir sind uns einig, dass dieses Panorama das
besonderste ist, das wir auf unsere Tour gesehen haben. In den Sarek hinein
sieht man einen großen Gletscher und viele schneebedeckte Berge. Auch die Berge
die wir zum Ridok entlanggegangen wären sind sichtbar, und die Route durch das
Tal zum Nammásj lässt sich erahnen. Vis à vis sieht man den Tjahkelij mit
seinen schroffen, steilen Felswänden aus dem Tal ragen. Wenn er leichter zu
erklimmen wäre, würden auch dort viele das Panorama bewundern. Ich wage mich,
auf den Bauch gelegt, sogar mit dem Gesicht über den Abhang, und schaue
beängstigend viele Meter gerade nach unten. Leon ist das zu gruselig und er
lässt das aus.





Wir sind noch vor 12 am Gipfel angelangt, und machen uns um 12 Nudeln, die wir
mit Pesto essen. Es ist inzwischen wirklich repetitiv, aber das (vegetarische)
Angebot in den lässt wirklich zu wünschen übrig. Während wir kochen und essen
füllt sich das kleine Gipfelplateau immer mehr. Bei dem sagenhaften Wetter
bleiben viele noch am Gipfel. Sei es um etwas zu essen, oder um sich zu sonnen.
Als wir gerade essen kommt ein Hubschrauber auf unserer Augenhöhe ins Tal
geflogen, und bleibt zwischen Skierffe und Tjahkelij in der Luft für 20
Sekunden stehen, bevor er plötzlich einen furchteinflößenden Sturzflug ins Tal
macht, und dann wieder aufsteigt, und auf der anderen Seite des Tjahkelij
nochmal vorbeifliegt. Währenddessen landet ein anderer Helikopter in Aktse. Die
ganze Tour sind wir schon überrascht von dem regen Luftverkehr, der hier bei
Altse ganz besonders stark ist. Es gibt touristische Flugangebote, einerseits
um von Kvikkjokk nach Aktse und umgekehrt zu kommen, und andererseits gibt es
auch “Aussichtsflüge”, bei denen man zum Beispiel über das Rapadelta geflogen
wird. Wir finden das ein bisschen absurd, insbesondere weil es das Vergnügen
aller Wanderer*innen durch den am Gipfel doch sehr lauten Lärm einschränkt.




Wir sitzen noch lange am Gipfel in der Sonne, laden die Powerbank, trocknen unsere Schuhe, beobachten Leute die den ersten Blick hinunter werfen, und wie sie zurückschrecken, und schauen uns das ergiebige Panorama an. Irgendwann lasse ich auch eins der in den Dreck gefallenen Maccaroni den Abhang hinunterfallen. Es fällt und fällt und fällt bis ich es nicht mehr sehen kann. Und die helle Farbe der Nudel war erstaunlich gut erkennbar, es ist einfach nur so extrem hoch.
Als die Lichtbedingungen gut - also die Sonne kurz hinter einer Wolke ist -
sind, stellen wir noch das gemeinsame Gipfel- und Abhamgselfie, das wir gestern
vor weißem Hintergrund gemacht hatten nach. Gute zwei Stunden verbringen wir so
am Gipfel, bevor wir uns an den Abstieg machen. Hier übernimmt Leon den
Rucksack, und ich kann ohne Gepäck gehen. Mein Knie ist dankbar. Auch der
Abstieg geht recht schnell vorüber, und wir sind bald zurück bei dem
Riesenfelsen, wo wir noch einem anderen deutschsprachigen Wanderer den
trockenen Pfad am Sumpf vorbei zeigen. Er hatte uns am Gipfel gefragt ob man
auch querfeldein absteigen könne, wir haben ihm aber davon abgeraten, und
darauf hingewiesen, dass es einen trockenen Weg gibt.

Zurück am Zeltplatz holen wir die Nachspeise, getrocknete Marillen, nach, die wir beim losgehen vergessen haben. Es ist erst kurz nach 4 und so machen wir es uns bei unserem Zeltplatz gemütlich, bis wir Linsen mit Bohnen und Dosentomaten zu Abend essen, und uns ins Zelt zurückziehen.
Heute wurden wir echt noch einmal gewaltig dafür belohnt, den Aufstieg zum Skierffe gewagt zu haben, und einen fantastischen Sonnentag gehabt. Das hat unsere und insbesondere meine Stimmung stark gehoben, und wenn der Wetterbericht hält was er verspricht, nämlich morgen einen Tag noch sonniger als heute, wenn auch ein wenig kühler, dann wird es auch am Weg nach Pårte gut gelaunt weitergehen.
Dieser Artikel ist Teil der Reihe Kungsleden 2022.
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