Weil die Woche in Järpås nicht so randvoll mit spannenden Erlebnissen gefüllt war, und ich wenig Schwung zur unmittelbaren Berichterstattung hatte, gibt es hier die ganze Woche in einem Post.
Tag 21 (12.8.)
Weil es gestern Abend schon so dunkel war, haben wir nicht daran gedacht die Vorhänge zuzuziehen, und wurden so von der Sonne aufgeweckt. Das war nicht weiter tragisch, und zum Frühstück machen wir uns unter Zuhilfenahme der reichhaltigen Speisekammer ein sehr diverses Müsli. Am Vormittag machen wir einen kleinen Spaziergang mit Ann-Helene und ihrer Schwester. Dabei gehen wir durch einen nachts und im Winter beleuchteten Waldweg und finden hier Himbeeren. Gegen Mittag kommt eine befreundete Familie zu acht zu Besuch. Auch sie werden hier im Hause schlafen. Das geht aber völlig problemlos, es ist ein wirklich großes Haus mit vielen Schlafplätzen für eine kleine Familie. Nach dem Mittagessen gibt es noch ganz vorzüglichen Rhabarberkuchen.
Gemeinsam machen wir einen kurzen Spaziergang zum nahegelegenen See. Es ist nur
eine viertel Stunde Fußweg und es ist sehr angenehm zum Schwimmen. Ich gehe
nicht ins Wasser aber alle anderen genießen das Baden.

Am Nachmittag kommt Ann-Helenes Vater, Arne, der auf einer Konferenz war auch zurück. Zum Abendessen gibt es Gemüselasagne und wir gehen alle satt und zufrieden in Bett.
Beim Abendessen hat uns Muki auch ein wenig über die Herkunft des Ortsnamens erzählt. Järpås setzt sich ganz einfach aus den zwei schwedischen Worten Järp und Ås zusammen. Järp heißt Haselhuhn, und ein solches war auch am Ortsschild abgebildet, als wir hineingefahren sind. Ein Ås ist, wenn ich das richtig verstanden habe eine Ansammlung beziehungsweise ein Hügel aus, von Gletschern angeschleppten Felsen.
Tag 22 (13.8.)
Heute stehen alle relativ spät auf. Um 12 fahren wir in die nächste Stadt,
Lidköping. Heute ist Samstag, und da gibt es in der Stadt einen großen Markt.
Auch der kirchliche Second-Hand Shop mit wirklich niedrigen Preisen hat heute
offen. Der hat nur mittwochs und samstags offen, wenn aich der Markt da ist.
Danach schauen wir noch bei System Bolaget vorbei. Alkoholische Getränke mit
mehr als 3 Vol.% Alkohol dürfen in Schweden nur in diesen staatlichen
Alkoholmärkten verkauft werden. Wir fahren zum Mittagessen wieder nach Järpås
und zum Kaffee mit Bananenbrot und Kaffebröd fahren wir zu einem
nahegelegenen Stausee. Hier klettern wir über große Steinbrocken und auf
Betonmauern zu einer Steinplatte auf der wir uns ausbreiten. Wir machen ein
kurzes Gruppenfoto und nach dem Kaffee fahren wir wieder zurück nach Hause. Die
andere Familie die zu Besuch war fährt wieder ab, und es kehrt wieder mehr Ruhe
ein.


Als die Nacht langsam eintritt machen Ann-Helene, Leon und ich uns fertig für eine Party. Eine Freundin von Ann-Helene wird 20 und wir gehen auf die Geburtstagsfeier. Dafür bringt uns Muki mit dem Auto hin. Die Party ist sehr lustig für uns, und auch wenn alle behaupten dass ihr Englisch ganz schlecht sei ist Kommunikation gut möglich. Weil wir erst relativ spät zu der Party kommen sind alle anderen schon sehr gut angetrunken. Wir werden direkt nach unserer Ankunft aufgefordert in einem TikTok dabei zu sein. Die Stimmung ist richtig gut.
Um 2 in der Früh können wir in einem Auto mitfahren und werden damit nach Järpås gebracht. Dort gehen Leon und Ann-Helene noch einmal schwimmen und dann gehen wir nach Hause und ins Bett.
Tag 23 (14.8.)
Heute morgen gehen wir es sehr entspannt an und schlafen wirklich lange aus. Sehr gemütlich starten wir in den Tag und liegen herum bis wir uns zu Mittag Fajitas machen. Danach lege ich mich ein wenig hin und schlafe ein und hole ein wenig verpassten Schlaf nach. Als ich aufwache sind schon zwei Freundinnen von Ann-Helene zu Besuch, die wir gestern bei der Party kennengelernt haben. Wir tratschen gemeinsam und gehen dann noch einmal zum See baden. Dadurch dass der Weg dorthin so kurz ist, kann man sehr gut einen kurzen Badeausflug machen. Als wir wieder zurückkommen machen wir uns noch Tacos und Ann-Helenes Freundinnen besorgen sich Pizza. Recht bald danach gehen die Beiden wieder und wir machen uns, immer noch müde von der kurzen Nacht, auf den Weg ins Bett.
Tag 24 (15.8.)
Heute steht ein Abenteuer bevor: Arne hat ein Motorboot am Vänernsee und wir
werden damit eine kleine Tour fahren. Der Vänern ist der größte See in der EU
und der drittgrößte See in Europa (die beiden größeren liegen in Russland).
Also steigen wir alle am Vormittag ins Auto, holen Muki und Saga, eine der
beiden Freundinnen Ann-Helenes von gestern, aus der Stadt ab und fahren etwa 40
Minuten bis zu dem Boot. Das Boot ist laut Arne ein ganz ganz schlechtes Boot,
weil es keine Segel hat. Tatsächlich ist es aber ein charmantes Motorboot, das
in gemütlichster Geschwindigkeit über den See fährt. Als erstes muss Arne uns
dafür aus dem Parkplatz des Bootes rausmanövrieren, was gar nicht so einfach
ist. Das Wasser hier ist sehr flach und wir müssen genau den Bojen folgen um
nicht am Boden zu kratzen. Wir müssen uns durchs “Archipel” auf den offenen See
schlängeln. Als wir dort sind, gibt es eine ziemlich spannende aussicht. Wir
sehen im Süden Lidköping, die nächstgelegene Stadt zu Järpås mit dem Hafen und
in den Westen sehen wir die Hügel die den Vänern begrenzen und im Osten sehen
wir die Inselzunge an der wir entlang in Richtung Norden fahren. Und im Norden
sehen wir nichts. Arne erklärt uns dass der Vänern einer der wenigen Seen ist,
auf denen man den Horizont sehen kann. Insgesamt fühlt es sich echt sehr nach
Meer an, aber wir fahren auf Süßwasser.

Nach einiger Zeit halten wir auf dem Wasser und schwimmen ein paar Runden. Das
Wasser hat eine super Temperatur und man kann auch vom Bootrand oder -dach
springen. Nach unserer Badepause fahren wir weiter und erreichen Läckö slott
(Schloss Läckö). Das Schloss liegt auf einer Halbinsel und ist in drei
Himmelsrichtungen von Wasser umgeben. Das ist natürlich eine taktisch
hervorragende Lage. Hier gibt es einen Bootsanleger und wir gehen an Land und
spazieren über die Kieswege. Bei dem zu einem Museum gehörigen Café bekämpfen
wir mit Brötchen den Hunger und gehen dann zum Boot zurück und machen uns
wieder auf den Weg zum Auto. Arne versucht mit dem Boot durch eine “Straße”
zwischen zwei Inseln durchzukommen, aber im Laufe dieses Versuchs stellt sich
heraus, dass das Wasser hier zu flach ist. Also drehen wir wieder um und fahren
so wie vorher um die Inseln herum.


Kurz vor dem Anleger machen wir nochmal eine Badepause.

Danach geht’s zurück zum Auto mit dem wir nach Lidköping fahren. Dort steigen Leon, Ann-Helene und ich zu Saga ins Auto. Ann-Helene zieht sehr bald nach Stockholm um und hat sich dafür zur Abholung Zimmerpfanzen bestellt, die wir gemeinsam holen werden. Davor fahren wir aber noch beim schwedischen McDonald’s vorbei. Mit rund einem Dutzend Pflanzen im Kofferraum bringt Saga uns wieder nach Hause. Bis jetzt war das Wetter hier in Järpås das traumhafteste Sommerwetter. Die Sonne hat nahezu ununterbrochen geschienen und die Temperatur war, bedingt durch unseren Breitengrad, sehr angenehm und nie zu heiß. Aber als wir jetzt im Auto sitzen beginnt es zu schütten. Im strömenden Regen verabschieden wir uns von Saga und flitzen ins Haus. Dort beschließen wir noch einmal zum kleinen See baden zu gehen. Im Regen und im Dunkeln gehen wir also zum See, baden eine kleine Runde und gehen wieder zurück. Danach legen wir uns schon bald schlafen.
Tag 25 (16.8.)
Heute wird Ann-Helenes Freund Linus kommen und sie abholen, damit sie gemeinsam in ihre zukünftige Wohnung fahren. Dabei nimmt sie allerlei an Büchern und Pflanzen mit. Letztere pflanzen wir den Vormittag lang in angemessenere Töpfe um und packen sie in Umzugskartons. Kurz bevor Linus ankommt beginnt es richtig loszuschütten. Es regnet regelrecht horizontal und stürmt gewaltig. Linus fährt vorsichtig durch den Regen und kommt bald nachdem es begonnen hat so zu schütten an. Wir trinken gemeinsam noch einen Kaffee und essen ein wenig Eis bevor sich die Beiden wirklich auf den Weg machen.
Ann-Helene hat nur einen kurzen Aufenthalt in Stockholm: am Donnerstagnachmittag kommt sie wieder zurück nach Järpås. Aber weil wir schon Donnerstagmorgen abfahren müssen wir uns jetzt schon verabschieden. Weil wir uns sonst leider nur selten sehen können, müssen wir uns für Monate voneinander verabschieden.
Damit wir heute nicht den ganzen Tag im Haus verbringen machen Leon und ich am
späten Abend noch einen Spaziergang. Dabei gehen wir noch einmal durch den
beleuchteten Waldweg von Tag 21. Doch als wir dort gehen geht auf einmal das
Licht aus. Muki hat uns zum Glück vorgewarnt dass die Lichter um 22:00
abgedreht werden und ich habe meine Taschenlampe mitgenommen. Wir müssen aber
nicht weit gehen bis wir zu einem Abschnitt kommen der wieder beleuchtet ist.
Offenbar betrifft das nur einen Teil des Weges. Wegen des heutigen Regens liegt
hier im Wald noch ein leichter Nebel in der Luft der diesen Spaziergang sehr
atmosphärisch macht. Nachdem wir wieder zurück nach Hause gekommen sind stecke
ich die Kamera ein und mache mich alleine auf den Weg zum See. Als wir im
Dunkeln dort waren hat uns Ann-Helene gezeigt dass man dort ein Flutlicht auf
den See andrehen kann, und das hat mich zu Fotos inspiriert.

Ich sitze also alleine eine halbe Stunde auf dem Steg und versuche mich daran
hier schöne Fotos zu machen. Hier hätte ich wirklich gerne ein Stativ, aber ich
hab keins mitgenommen und muss mich so mit einem Pulloverpolster begnügen. Dann
schwimme ich noch eine kleine Runde im See und mache mich auf den Rückweg.
Dabei gehe ich ein bisschen anders als beim Hinweg und komme an einem Schranken
vorbei. Dort hat der Sturm offenbar einen großen Ast abgebrochen, der jetzt
quer über dem Weg liegt. Als ich wieder zuhause bin gehe ich schnell ins Bett.

Tag 26 (17.8.)
Heute fährt Muki am Nachmittag nach Lidköping und hat uns angeboten uns
mitzunehmen und Lidköping erkunden zu lassen. Das Angebot nehmen wir gerne an
und werden so nach einem relativ ereignislosen Vormittag nach in Lidköping
“ausgesetzt”. Zufälligerweise ist heute Mittwoch und wir schauen noch einmal zu
dem Second-hand Geschäft in dem wir schon am Samstag (Tag 22) waren. Danach
statten wir uns noch im Supermarkt mit Reiseproviant für die anstehende
Zugfahrt aus und essen auch gleich etwas. Dann schauen wir noch zu einem
anderen Second-hand Shop in der Stadt. Dort finden wir beide ein bisschen was.

Danach schauen wir uns noch die Kirche an. Die ist leider heute geschlossen und so können wir sie nur von außen betrachten. Wir setzen uns neben der Kirche auf eine Bank im Schatten und tratschen als Muki wieder anruft und sagt dass sie bald fertig wird. Wir vereinbaren also einen Treffpunkt am Stadtplatz und machen uns auf den Weg. Wir warten nicht lange als Muki uns wieder aufsammelt und nach Hause bringt.
Zu Hause angekommen essen wir alle gemeinsam ein letztes Mal zu Abend. Arne,
der selbst in Kiruna aufgewachsen ist, erzählt dabei ausführlich von seinen
Großvätern, die beide unter den Pionieren waren die Kiruna 1900 gegründet
haben. Leon und ich gehen, um unsere Streak nicht zu unterbrechen gehen wir
ein letztes Mal im See baden. Dabei gehen wir am Bahnhof vorbei und
sicherheitshalber werfe ich einen Blick auf die Informationstafel und stelle zu
meiner Verwunderung fest dass unser Zug morgen nicht wie noch vor ein paar
Tagen recherchiert um 8:23 sondern schon um 8:07 abfährt. Nach dem letzten
Schwimmausflug beginnen wir unsere Sachen soweit es geht fertig zu packen,
damit wir morgen zügig zum Bahnhof kommen. Leon legt noch den für die Zugfahrt
gekaufen Käse in den Kühlschrank und wir legen uns zu Bett.

Der Aufenthalt in Järpås war ein großartiger Gegenpol zu dem Abenteuer am Kungsleden. Wir konnten hier ausrasten und uns langsam wieder in die Zivilisation eingewöhnen. Andererseits haben wir genug “Programm” gehabt, dass es immer spannend war. Und es ist einfach unglaublich cool einfach so spontan eine Woche hier vorbeischauen zu können.
Hier einerseits unsere Bootstour und andererseits einer der Ausflüge zum See als GPS-Track:
Dieser Artikel ist Teil der Reihe Kungsleden 2022.
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